Abriss-Spekulation stoppen
Judith Pühringer, Georg Prack –
Die Abriss-Spekulation in Wien muss endlich aufhören! Jüngst bekannt gewordene Fälle wie der geplante Abriss des Biedermeierhauses in der Kaiserstraße 31 zeigen: Die Stadt Wien muss den Altbau dringend besser schützen. Wir haben dafür einen 5-Punkte-Plan entwickelt.
Der Abriss von Gründerzeithäusern ist für Immobilienspekulant:innen in Wien ein lohnendes Geschäft, auch wenn es sich um schützenswerte Gebäude handelt. Mit der Errichtung von teuren Eigentumswohnungen unter extremer Ausnutzung der bestehenden Widmung werden nicht selten Millionen an Spekulationsgewinnen erzielt.
Wir haben unter Rot-Grün Verbesserungen erreicht: Mit der Bauordnungsnovelle von 2018 wurden Abrisse von Häusern, die vor 1945 errichtet wurden, erschwert: Wenn sich die Objekte nicht in einer Schutzzone befinden, müssen Abrisse angezeigt werden und benötigen eine Bestätigung des Magistrats, dass an der Erhaltung des Bauwerkes kein öffentliches Interesse besteht. In der Regel gibt die zuständige MA 19 ein Gutachten ab, ob es sich um ein schützenswertes Gebäude handelt oder nicht. In der Praxis kann dies jedoch umgangen werden, indem Bauwerber:innen auf „wirtschaftliche Abbruchreife“ plädieren.
Wie viele Wohnungen werden Opfer der Abrissbirne?
2,2 Prozent der 2007 noch bestehenden gründerzeitlichen Zinshäuser wurden bis 2019 Oper der Abrissbirne. Das sind knapp 400 Wohngebäude. 2007 waren es 17.829 Zinshäuser. Bis 2019 ist die Zahl der Zinshäuser durch Parifizierung und Abriss um 11,9 Prozent (das sind 2117 Zinshäuser) gesunken. Davon entfielen 81,5 Prozent auf Parifizierung und 18,5 Prozent auf Abriss. Laut der Studie hat die Abrissdynamik in den letzten Jahren stark zugenommen, der Anteil der Parifizierungen ist zurückgegangen.
„Die vielen Abrisse von historischen Häusern in Wien schaden unserer Stadt auf vielen Ebenen. Sie zerstören das Gründerzeit-Antlitz der Stadt und treiben die Mietpreise weiter in die Höhe. Wir müssen diesen Wohnraub so schnell wie möglich beenden“.
Judith Pühringer, Parteivorsitzende
Warum ist Abriss von Gründerzeithäusern ein Problem?
Abriss-Spekulation ist eine Gefahr für Leistbares Wohnen
Wohnungen, die vor 1945 erbaut wurden fallen unter das Mietrechtsgesetz (MRG), das heisst für diese Wohnungen ist die Miete durch Richtwertzins reguliert. Ein mit einem Abriss verbundener Neubau unterliegt keiner Mietpreisregulierung. Der Neubau kann daher teuer ins Eigentum verkauft oder zu hohen Preisen vermietet werden. Deshalb raubt jeder Abriss leistbare Wohnungen und ist zu verhindern.
Abriss-Spekulation zerstört Baukultur und gründerzeitliche Qualität
Die Abrissbirne zerstört gründerzeitliche Denkmäler unwiederbringlich. Der gründerzeitliche Wohnbau ist mitverantwortlich für die Attraktivität von Wien als Tourismusmetropole, prägt das Stadtbild und muss unbedingt erhalten werden. Gleichzeitig hat der gründerzeitliche Wohnbau eine hohe Wohnqualität, die unbedingt erhalten werden muss.
Abriss-Spekulation ist schlecht fürs Klima
Jedes Haus, dass abgerissen wird, verbraucht durch Abriss und Neubau sehr viel CO2. Das können wir uns nicht mehr leisten. Wir brauchen eine Kreislaufwirtschaft und müssen sanieren statt abreißen. Deshalb muss der Abriss von gründerzeitlichem Wohnbau gestoppt werden.
Es braucht den gründerzeitlichen Wohnbau als Ankunftsstadt
Die gründerzeitliche Stadt hat eine wichtige Aufgabe als Arrival City. Gemeindebau und geförderter Wohnbau sind für neue Wiener:innen nicht sofort zugänglich, Eigentum und Mietwohnungen im Neubau sind in der Regel nicht leistbar. Deshalb kommt dem preisgeschützten Wohnbau, der vor 1945 erbaut wurde, eine besondere Bedeutung im Gefüge der Stadt zu. Abrisse von Altbauten rauben also gerade neuen Wiener:innen ein Zuhause.

“Der Abbruch der Gründerzeithäuser raubt den Menschen in Wien Wohnraum. Die Abschaffung der wirtschaftlichen Abbruchreife, höhere Strafen und eine Leerstandsabgabe muss endlich kommen, damit wir Spekulanten das Handwerk legen und die Vernichtung leistbarer Altbauwohnungen verhindern“.
Georg Prack, Wohnsprecher
Fünf Punkte zur Verhinderung von Abriss-Spekulation
1. Abschaffung der wirtschaftlichen Abbruchreife
Die Abschaffung der wirtschaftlichen Abbruchreife soll verhindern, dass Spekulant:innen die wirtschaftliche Abbruchreife absichtlich herbeiführen, um schützenswerte Gebäude abreißen und gewinnbringend verwerten zu können.
Das Problem ist, dass die Abbruchreife per privat beauftragten/bezahltem Gutachten erreicht werden kann. Es hat sich herausgestellt, dass die Verschärfung der Bauordnung von 2018 nicht ausreicht. In der Immobilien-Branche wird der jetzige Zustand nicht als wesentliches Hindernis gesehen. Weiters sind die Anforderungen an Altbauten bei der Berechnung der Abbruchreife derzeit sehr hoch (de facto Neubaustandard!). So kann fast jedes Gebäude abgebrochen werden.
Wir fordern, dass die wirtschaftliche Abbruchreife als mögliche Voraussetzung für die Erlangung einer Abbruchbewilligung ersatzlos entfällt.
2. Erhöhung der Strafen
Mit der Bauordnungsnovelle 2021 wurden Geldstrafen für den Abriss eines Gebäudes ohne Bewilligung eingeführt. Die Verwaltungsstrafe ist mit 30.000 Euro Mindeststrafe und einer Strafobergrenze von 300.000 Euro jedoch verglichen mit den zu erwartenden Spekulationsgewinnen viel zu niedrig, um eine abschreckende Wirkung zu entfalten. Diese Strafen bezahlen Immobilienspekulant:innen aus der Portokasse.
Wir schlagen eine Erhöhung der Verwaltungsstrafen für illegale Abrisse auf mindestens 75.000 Euro und eine Strafobergrenze von 750.000 Euro vor.
3. Zwangsmaßnahmen gegen Spekulant:innen konsequent einsetzen
Die Stadt hat nach bestehendem Recht die Möglichkeit, Hauseigentümer:innen zu klagen, wenn sie Sanierungen unterlassen. Bisher sieht man seitens der Stadt aber davon ab. Diese Inkonsequenz ist ein schlechtes Signal an Spekulant:innen.
Unser Vorschlag: Das Mietrecht erlaubt es, Eigentümer:innen eine Frist für Sanierungsmaßnahmen zu setzen. Das kann auch so weit gehen, dass die Stadt das Haus in Zwangsverwaltung übernimmt, saniert und es erst dann an den Eigentümer zurückgeht, wenn die Sanierung abbezahlt ist. Wenn die Stadt das konsequent macht, dann lernen Spekulant:innen ganz schnell, dass sich so ein Handeln nicht mehr auszahlt.
4. Schutzzonen ausbauen und Schutz stärken
Wir müssen den vor 1945 erbauten Gebäudebestand stärker vor Abriss-Spekulation schützen. Das Gebäudeinnere ist in der Regel überhaupt nicht vor Abriss geschützt. Zudem wird die Ausweisung von Schutzzonen bei Änderung von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen nicht automatisch geprüft.
Unsere Vorschläge:
- Verpflichtende Prüfung der Ausweisung von Schutzzonen bei Änderung von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen
- Effektivere Schutzzonen durch Begrenzung der Geschoßzahl
- Neben der „Wirkung auf das örtliche Stadtbild“ soll die baukulturelle Bedeutung des historischen Gebäudes als Schutzkriterium vorgesehen werden (gemeint ist das Gebäudeinnere u. von der Straßenfront aus nicht sichtbare Trakte).
5. Einführung einer Leerstandsabgabe
Abriss-Spekulation setzt voraus, dass keine Mieter:innen mehr im Wohnhaus sind, die sich gegen den Abriss zur Wehr setzen. Die Strategien, Mieter:innen aus einem Haus zu drängen, sind vielfältig und reichen vom Auslaufen von befristeten Verträgen, über das Rauskaufen aus unbefristeten Mietverträgen bis hin zu Schikanen und absichtlicher Verschlechterung von Wohnbedingungen. Diese Strategien von Spekulant:innen bauen darauf auf, dass Wohnungsleerstand nichts kostet.
Die Einführung einer Wiener Leerstandsabgabe wäre ein wichtiger Beitrag gegen den Abriss von Altbauten, weil damit Wohnungsleerstand bestraft wird.
Salzburg Stadt als Vorbild für Wien
Salzburg Stadt könnte in dieser Hinsicht Vorbild für Wien sein. Das Salzburger Altstadterhaltungsgesetz regelt seit 1967 das Baugeschehen in der Salzburger Altstadt. Eine wesentliche Novellierung erfolgte 1980 mit der Ausweitung des Schutzes auf das Gebäudeinnere, der Förderung der Wohnnutzung, der Einführung der Meldepflicht beim Auffinden bauhistorisch wertvoller Details und der Einbeziehung der Freiflächen und Plätze. Das Beispiel des Salzburger Altstadterhaltungsgesetzes zeigt, dass man der Baupolizei viel stärkere Mittel an die Hand geben kann, um baukulturell wertvolle Gebäude zu erhalten.