Abschlusszeugnis für Christoph Wiederkehr
Nach fast fünf Jahren Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr muss man leider festhalten: Die Probleme und Baustellen in Wien sind nur noch größer geworden. Wir ziehen Bilanz und stellen dem neuen Bildungsminister ein Abschlusszeugnis aus.
Schulkinder in Containerklassen, 50% der Erstklässler in den Volksschulen sprechen nicht gut genug Deutsch, schlechte Rahmenbedingungen in der Elementarbildung, Klassenräume ohne Lehrpersonal, Lehrer:innen, die nach drei Monaten noch immer kein Gehalt bekommen haben – die Liste der Versäumnisse ließe sich noch weiter fortsetzen. Die Neos blieben auch beim selbsterklärten Lieblingsthema Bildung in der vergangenen Stadtregierung vollkommen blass.
Nach fast fünf Jahren Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr muss man leider festhalten: Die Probleme und Baustellen in Wien sind nur noch größer geworden – das Ergebnis: Die Wiener Bildungskrise. Dass Wiederkehr jetzt neuer Bildungsminister ist, lässt daher gerade in Wien viele die Stirn runzeln. Denn in Wien konnte man in den vergangenen fünf Jahren hautnah miterleben, was Neos-Bildungspolitik in der Praxis bedeutet – und vor allem: was nicht.
„Wiederkehr hinterlässt Wien eine handfeste Bildungskrise. Ein Systemversagen in der Deutschförderung, viel zu wenige Schulsozialarbeiter:innen und die Kindergärten völlig im Stich gelassen – für zehntausende Wiener Kinder sind fünf Jahre Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr vor allem fünf verlorene Jahre. Dass Wiederkehr jetzt Bildungsminister wird, kann nur als Flucht nach vorne verstanden werden.“
Judith Pühringer Stadträtin, Parteivorsitzende
DAS ZEUGNIS
Elementarbildung: Nicht genügend
Ankündigung: Bei Amtsantritt hatte Wiederkehr kleinere Gruppen und mehr Personal angekündigt.
Ergebnis: Gleich große Gruppen, unveränderter Personalmangel. Es fehlen rund 700 Pädagog:innen in den öffentlichen Kindergärten. In den privaten Einrichtungen noch einmal so viele. Es gibt keinen fixen Stufenplan, wie die Gruppen endlich kleiner werden sollen. Versprochen war außerdem eine Evaluierung der Förderungen im Kindergartenbereich – die öffentl. Einrichtungen bekommen pro Kind das 2,5-Fache der privaten. Bis heute gibt es diese Evaluierung nicht. Zumindest die Assistenzstunden wurden aufgestockt. In der Praxis sind diese Erhöhungen aber kaum spürbar, wie unsere Gespräche mit dem pädagogischen Personal aus dem Elementarbereich zeigen.
Deutschförderung: Nicht genügend
Ankündigung: Wiederkehr hat 500 Sprachförderkräfte versprochen.
Ergebnis: In den ersten Klassen unserer Volksschulen wird die Hälfte der Kinder als außerordentliche Volksschüler geführt, weil sie nicht gut genug Deutsch sprechen, um dem Unterricht folgen zu können. Von diesen 50% waren schon 80% in Wien in einem Kindergarten. Es gibt derzeit nur 313 Sprachförderkräfte für ganz Wien. 71 Standorte, die Bedarf hätten, haben keine einzige Deutschförderkraft bekommen. Die anderen Standorte haben oft nur wenige Stunden. Im jetzigen System springen schlecht bezahlte Sprachförderkräfte von Standort zu Standort. Ein nachhaltiger Aufbau der Sprachkompetenz ist somit nicht möglich.
Schulsozialarbeit: Genügend
Ankündigung: 1 Schulsozialarbeiter:in pro Standort.
Ergebnis: 70 Schulsozialarbeiter:innen für 470 Standorte. Im Ergebnis ist jede Sozialarbeiter:in für ca. 1700 Schüler:innen verantwortlich – das kann sich nicht ausgehen. Lehrer:innen können sich nicht auf ihr Kerngeschäft, das Unterrichten, konzentrieren, wenn sie nebenher alle möglichen Probleme lösen müssen, für die sie nicht einmal ausgebildet sind. Und: Es fehlt weiterhin die notwendige, administrative Unterstützung, um die ohnehin zu wenigen Schulsozialarbeiter:innen zu entlasten.
Innovation: Genügend
Ankündigung: Wiederkehr sprach davon, “die Schulen zu durchlüften undinnovativen Projekten Raum zu geben”
Ergebnis: Das „Wiener Bildungsversprechen“, die „Bildungschancen“ und das „Bildungsfestival“ sind Initiativen, die in die richtige Richtung gehen. Die Maßnahmen haben aber keine systemverändernde, nachhaltige Wirkung – sie sind leider nie im Regelbetrieb angekommen. Das Bildungsfestival geht am System vorbei und wird von vielen Lehrer:innen als nicht sinnvoll für ihren Berufsalltag erlebt. „Bestes“ Negativbeispiel für den mangelnden Effekt: Das „Wiener Bildungsversprechen“ gilt nur in 37 von 470 Pflichtschulen.
Lehrer:innenmangel: Genügend
Ankündigung: Wiederkehr kündigte „umfassende Maßnahmen” gegen den Lehrer:innenmangel an.
Ergebnis: Unveränderter Lehrer:innenmangel.Hier gab es keine wesentlichen Verbesserungen. In Wiens Pflichtschulen haben mittlerweile 20% aller Lehrer:innen einen Sondervertrag, da sie keine abgeschlossene Ausbildung haben und Wien immer mehr auf Studierende zurückgreifen muss. Keine Verbesserungen bei den Arbeitsplätzen, den Verträgen, der Anrechnung von Vordienstzeiten, dem Abbau der Bürokratie oder Aufstiegs- und Karrierechancen. Positiv sind die Attraktivierungsbemühungen mit Jobticket (gratis Jahreskarte für die Wiener Linien) und Gratis-Tickets für Schulausflüge (beides langjährige Forderungen der Wiener Grünen).
Inklusion im Kindergarten: Nicht genügend
Ankündigung: „Eine Verbesserung des elementarpädagogischen Platzangebotes für Kinder mit Behinderungen.“
Ergebnis: Seit Jahren warten 800-1000 Kinder mit Behinderung und Beeinträchtigung auf einen Platz in einem Wiener Kindergarten. Die Nachfrage war vor zwei und drei Jahren jeweils ca. 50% höher als das Angebot der Stadt Wien. Die neuesten Zahlen aus Februar 2025 zeigen: Es warten 1147 Kinder mit Behinderung auf einen Platz in Wien. Die Nachfrage übersteigt das Angebot der Stadt Wien damit um 80%. Das ist skandalös.

GESAMTBEURTEILUNG
Bildungsstadtrat Wiederkehr war bemüht und hat grundsätzlich Interesse an der Materie gezeigt. Die notwendigen Grundkenntnisse sind vorhanden. Die Gesamtleistung weist jedoch erhebliche Mängel auf, die mit mehr Eigeninitiative und mutigeren Entscheidungen behoben werden könnten. In vielen Fällen konnte Wiederkehr zudem nur unter Anleitung notwendige Schritte setzen.
Es zeigte sich, dass Stadtrat Wiederkehr oftmals woanders Schuldige sucht und die Verantwortung abgibt, anstatt selbst anzupacken. Für eine bessere Beurteilung wäre ein verantwortungsvolles Übernehmen von Aufgaben in seinem Zuständigkeitsbereich notwendig gewesen. Eine Empfehlung für eine weiterführende Karriere als Bildungsminister kann daher nicht ausgesprochen werden.
„Die Hälfte der Taferlklassler spricht nicht gut genug Deutsch, um dem Unterricht folgen zu können. Die unzureichende Deutschförderung, der eklatante Pädagog:innenmangel, die Ignoranz gegenüber Kindern mit Behinderungen – die Probleme wurden nicht kleiner, sondern nur größer. Auch beim Bildungsthema sind die Neos in den letzten fünf Jahren blass geblieben.“
Julia Malle Landtagsabgeordnete, Bildungsprecherin
WIE SCHULE IN WIEN BESSER FUNKTIONIEREN KANN
Schon zu Beginn des laufenden Schuljahres haben die Wiener Grünen ihr Bildungspaket vorgestellt – damit Schule in Wien wieder besser funktioniert. Es braucht Schulsozialarbeit an jedem Standort, viel mehr Deutschförderung an den Kindergärten, eine zeitgemäßes Update bei der Schulplatzauswahl und endlich echte Lösungen für den akuten Lehrer:innenmangel.
Was es braucht, um Wiens Bildungskrise zu lösen:
- Update bei der Schulplatzauswahl
- Lehrer:innenmangel beheben
- Faktenbasierte Schulen
- Sprach- und Deutschförderung im Kindergarten
- ein:e Schulsozialarbeiter:in an jeder Schule
Mehr dazu: https://wien.gruene.at/news/kinder/schulen-am-limit
„Ein Kind, das heute in die Schule geht, hat nicht mehr Chancen als vor fünf Jahren. Das ist die traurige Bilanz, die man angesichts 5 Jahre Bildungsstadtrat Wiederkehr in Wien ziehen muss. Die Neos sind angetreten, um das Bildungssystem zu verändern – doch spätestens müssen sie sich eingestehen, dass sich die Ungerechtigkeit seitdem nur noch weiter verschärft hat.“
Felix Stadler Landtagsabgeordneter, Bildungssprecher
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