Wie Schule besser funktionieren kann
Die Ferien sind bald vorbei und das kommende Schuljahr steht vor noch größeren Baustellen. Wir präsentieren ein Bildungspaket in 6 Punkten, wie Schule besser funktionieren kann.
Die Debatte um Familienzusammenführungen und Containerklassen, der drastische Lehrer:innenmangel sowie zusätzlicher Deutschförderbedarf – all das verschärft die Ungerechtigkeit im Bildungssystem. Kurz: Die Probleme, die schon längst gelöst werden hätten sollen, bekommen jetzt noch mehr Brisanz.
„Fast vier Jahre Bildungsstadtrat Wiederkehr und es wird jedes Jahr noch schlimmer. Die Neos sind angetreten, um das Bildungssystem zu verändern, aber sie müssen sich spätestens heute eingestehen, dass sich die Ungerechtigkeit seitdem nur noch weiter verschärft hat.“
Judith Pühringer Stadträtin, Parteivorsitzende
1. Durchmischung, Durchmischung, Durchmischung
Wiens (Volks-)Schulen werden immer segregierter. Eltern versuchen alles, damit ihr Kind einen Platz in der Wunschschule bekommt – das ist verständlich. Allerdings sind jene Eltern, die das System kennen, die Sprache sprechen und Kontakte haben, klar im Vorteil gegenüber jenen, die dieses Wissen nicht haben. Das führt dazu, dass in manchen Volksschulklassen kaum ein Kind Deutsch als Erstsprache spricht. Kindergärten und Schulen müssen aber sozial und ökonomisch durchmischt sein, damit Kinder und Jugendliche von- und miteinander lernen können und die Herausforderungen an den einzelnen Standorten nicht zu groß werden.
Grüne Forderung
Die Schulwahl bleibt bestehen, wird aber durch sozio-ökonomische Kriterien erweitert. Eltern sollen in Zukunft fünf Wunschschulen angeben können. Die endgültige Zuteilung erfolgt zentral, nach den Kriterien: Wohnortnähe, Geschwister, Erstsprache, Bildungsgrad der Eltern. Dadurch entsteht kein “busing” (also der Transport von Schulkindern quer durch die Stadt), sondern eine bessere Durchmischung vor Ort.
2. Lehrer:innenmangel beheben
Viele Schulen haben Probleme, alle Stellen zu besetzen. Vor allem in Wiens Volksschulen wird der Mangel an Lehrer:innen immer dramatischer. So fehlten letztes Jahr zu Schulbeginn 31 Klassenvorstände an Pflichtschulen. Klingt nach nicht viel, betraf aber rund 700 Schüler:innen. Zudem kommen derzeit monatlich rd. 350 neue Schüler:innen zu den bereits bestehenden Klassen dazu. Viele Junglehrer:innen beginnen erst gar nicht, zu unterrichten, hören nach einigen Jahren wieder auf oder wechseln das Bundesland. Das Schulstart-Chaos des letzten Jahres wird sich somit auch heuer wiederholen. Wenn die Stadtregierung hier nicht endlich viel entschlossener gegensteuert, werden in manchen Klassen Schüler:innen ohne Lehrpersonal sitzen.
Grüne Forderung
Der eigentlich so schöne Lehrberuf muss wieder attraktiver gemacht werden – vor allem an jenen Volks- und Mittelschulen, an denen kaum jemand unterrichten möchte. Andere Städte haben vorgezeigt, wie das gehen kann: höhere Gehälter an Schulen mit großen Herausforderungen; bessere Entlohnung für Zusatzaufgaben an Schulen mit großen Herausforderungen; Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten für Lehrer:innen für Mittlere-Management Positionen; mehr Unterstützungspersonal; weniger Bürokratie und administrative Arbeit.
„Die Probleme an Wiens Schulen machen eine echte Reform notwendig: Wir brauchen Schulsozialarbeit an jedem Standort, viel mehr Deutschförderung an den Kindergärten, eine bessere Durchmischung an Wiens Schulen und endlich echte Lösungen für den akuten Lehrer:innenmangel.“
Julia Malle Landtagsabgeordnete, Bildungsprecherin
3. Faktenbasierte Schulen
Bildungspolitik in Österreich und Wien ist oftmals ein Blindflug, da Daten, die vorhanden wären, nicht zielgerichtet genutzt werden. Das muss sich dringend ändern! Hamburg zeigt es vor: Dort unterstützt das „Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung“ Schulen bei schulinternen Evaluationsprogrammen, erhebt aber auch eigenständig Daten und spielt diese an die Schulen zurück. Datengestützte Unterrichtsentwicklung ist so an allen Schulstandorten nachhaltig verankert.
Grüne Forderung
Vorhandene Daten zur sozio-ökonomischen Situation und die Ergebnisse (z. B. IMKPLUS-Daten) jeder einzelnen Schule sollen eingesetzt werden, um zu sehen, welche Schulen tatsächlich erfolgreich sind. Diese Daten sollen keine „Rankings” ermöglichen, sie können aber den Mythos von „guten” Schulen und „schlechten” Schulen beenden. Diese Transparenz führt auch zu einer effektiveren Schulentwicklung und Personalpolitik.
4. Sprach- und Deutschförderung im Kindergarten
Ein Drittel aller Erstklässler:innen in Wiens Volksschulen wird als „außerordentliche Schüler:innen“ geführt – sie können dem Unterricht aufgrund fehlender Deutschkenntnisse nicht folgen. Dabei waren ca. 75% dieser Kinder im Durchschnitt zwei Jahre in einem Kindergarten. Das macht deutlich, dass es sich um ein systemisches Versagen der Deutschförderung handelt. Gerade diese Kinder brauchen ein starkes Bildungssystem.
Grüne Forderung
Sprachförderung muss integraler Bestandteil jedes Standortes werden. Sprachförderkräfte – die von Kindergarten zu Kindergarten springen müssen und teilweise nur einige wenige Stunden vor Ort sind – sind wichtig, aber unzureichend. Jeder Kindergarten-Standort soll, je nach Bedarf, ein Anrecht auf die Finanzierung einer Sprachförderkraft haben, die am Standort fixer Bestandteil des Teams ist. Kindergartenstandorte, die einen hohen Bedarf an Sprachförderung haben, bekommen also genug Mittel, um mehr Sprachförderkräfte vor Ort anzustellen.
„Schon jetzt haben nicht alle Kinder die gleichen Chancen und es wird wohl mit dem neuen Schuljahr nicht besser werden. Wenn Bildungsstadtrat Wiederkehr jetzt nicht handelt, haben wir bald noch mehr Kinder, denen wir die Zukunft verbauen.“
Felix Stadler Landtagsabgeordneter, Bildungssprecher
5. Eine Eltern-Fachkraft und ein:e Schulsozialarbeiter:in an jeder Schule
Die Zusammenarbeit mit Eltern ist ein wesentlicher Faktor für den Bildungserfolg der Kinder. Kinder, deren Eltern sich nicht kümmern wollen bzw. können, dürfen dafür nicht bestraft werden. Es müssen alle Eltern mit ins Boot geholt werden, um am Bildungserfolg ihrer Kinder mitzuarbeiten. Diese Aufgabe kann nicht alleine an den Lehrpersonen festgemacht werden. Das gilt auch für die Rolle der Schulsozialarbeit. Viel zu oft werden Lehrer:innen mit den Problemen und Herausforderungen der Schüler:innen alleine gelassen. Obwohl auch im rot-pinken Koalitionsabkommen von einem „starken Ausbau“ von Schulsozialarbeiter:innen gesprochen wird, ist bisher nur wenig passiert. So kommen derzeit in Wien auf eine:n (Vollzeit)Sozialarbeiter:in fast 1.500 Kinder und Jugendliche. Auch die zuletzt verkündete Aufstockung ist nicht mehr als ein Tropfen Wasser auf dem heißen Stein, denn dass Wien nach dreieinhalb Jahren pinker Regierungsbeteiligung immer noch erst 95 Sozialarbeiter:innen für knapp 500 Pflichtschulen plant, ist nur ein weiterer Beleg dafür, wie blass die Pinken in dieser Stadtregierung sind.
Grüne Forderung
Jede Pflichtschule in Wien soll die notwendigen Ressourcen bzw. Planstunden bekommen, um autonom entscheiden zu können, ob sie eine Fachkraft für Elternarbeit anstellen wollen. Jede Schule muss zudem eine:n Schulsozialarbeiter:in bekommen, damit sich die Lehrer:innen voll und ganz aufs Unterrichten konzentrieren können.
6. Eine:n Bildungsdirektor:in mit Weitsicht bestellen
Am 31. August endet die Bewerbungsfrist für den vakanten Posten an der Spitze der Bildungsdirektion Wien. Es ist ein Amt, mit dem die Stadtregierung sehr viel Potenzial direkt in der eigenen Hand hätte. Es macht für hunderttausende Kinder und zehntausende Lehrer:innen einen Riesenunterschied macht, wie diese Position besetzt wird, ob diese Behörde funktioniert oder eben nicht. Hierbei geht es konkret um die Verwaltungsebene, also die Entlohnung, die Verträge, die Anrechnung von Vordienstzeiten etc. Derzeit ist aber leider die einzige Frage, die sich bezüglich der nahenden Besetzung stellt: Wird’s eine Rote oder wird’s ein Roter?
Dabei hätte die Position Potenzial für so viel mehr. Ist die neue Person eine Verwalterin, gibt es ein “Weiter-wie-bisher” oder ist das jemand, die oder der den Finger in die Wunde legt?
Grüne Forderung
Drei Eigenschaften sind für den:die neue:n Bildungsdirektor:in entscheidend:
- Innovationsgeist: Jemand mit politischem Gewicht sowie mit Feuer und Leidenschaft
- Mut: Um die Probleme offen anzusprechen und kreative Lösungswege zu suchen
- Reformwille: Eine Person mit Reformwille, die Spielräume im bestehenden System ausnutzt.