Das Grüne Rezept fürs Wiener Gesundheits-system
Alle spüren es: Das Wiener Gesundheitssystem ist am Limit. Wir präsentieren unser Rezept zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung in den dringendsten Bereichen.
Es gibt zu wenige Kassenärzt:innen, die Wartezeiten sowohl bei Fachärzt:innen als auch bei Operationen werden immer länger. Die psychische Versorgung, besonders bei Kindern, liegt in Wien schon seit Jahren im Argen, auch bei der Frauengesundheit fehlen Versorgungsplätze. Erfolgreiche Projekte wie die Community Nurses werden abgeschafft, School Nurses nicht ausgeweitet. Das spüren alle Wiener:innen. Die derzeitige Grippewelle tut noch ihr Übriges dazu.
Wir präsentieren Eckpunkte zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung in den dringendsten Bereichen. Denn die Strukturen der Gesundheitsversorgung sind veraltet und genügen schon den heutigen Anforderungen nicht mehr – ganz zu schweigen von den morgigen.
„Wir verschreiben dem Wiener Gesundheitssystem das Grüne Rezept, damit alle Wiener:innen morgen wieder bestens versorgt sind – unabhängig davon, wie viel jemand im Börserl hat.“
Judith Pühringer Stadträtin, Parteivorsitzende
Problembereich: Lange Wartezeiten
Lange Wartezeiten prägen das Wiener Gesundheitssystem schon seit geraumer Zeit. Bis zu einem Jahr müssen Kinder derzeit auf Routineeingriffe wie z. B. eine Polypenoperation warten. Es fehlt an Kinderanästhesist:innen und an Pflegekräften. Auf einen Termin bei Neurolog:innen wartet man 45 Tage. Besonders gestiegen ist auch die Wartezeit bei Augenärzt:innen: Dort muss man im Schnitt 44 Tage bis zum Termin einkalkulieren, beinahe fünfmal so lang wie 2012.
Auch in der Gynäkologie hat sich die Wartezeit auf 32 Tage vervierfacht. Bei Hautärzt:innen beträgt die Wartezeit 28 Tage, was ebenfalls viermal so lange ist wie 2012. Bei Radiolog:innen wartet man 57 Tage (2012 waren es 32) und bei Internist:innen 33 Tage (2012: 12). Auf ein MRT als Kassenleistung warten Patient:innen in Wien derzeit mindestens sechs Wochen. Unterdessen stehen MRT-Geräte in Spitälern häufig still. Wer es sich leisten kann, weicht vermehrt auf Wahlärzt:innen aus, was das Problem der Zweiklassenmedizin noch weiter verschärft.
Grüne Lösungen:
- Die Wiener Behandlungsgarantie: Zeitnahe Behandlungs- und OP-Termine sollen mit einer Wiener Behandlungsgarantie sichergestellt werden. Jede:r Patient:in soll zeitnah einen OP-Termin, einen MRT-Termin oder einen Termin bei der/dem Fachärtz:in bekommen. Dringende Fälle werden sofort behandelt. Sonst muss innerhalb von 14 Tagen ein fachärztliches Gespräch garantiert sein.
- Arbeitsbedingungen im Pflegebereich verbessern: Wesentliches Element einer Attraktivierung des Pflegeberufes ist die Verbesserung der Rahmenbedingungen (verlässliche Dienstpläne, ausreichend Zeit für die Patient:innen, flexible Arbeitszeiten, erweiterter Personalpool, Dienstwohnungen und eine 24-Stunden-Kinderbetreuung, …); 32-Stunden-Woche in der Pflege, Rechtsanspruch auf bezahlte Fortbildungen, finanzielle Anerkennung von Zusatzausbildungen.
- Im niedergelassenen Bereich müssen Primärversorgungseinrichtungen (PVEs) forciert werden, sie sind für Ärzt:innen und Gesundheitspersonal attraktiver als Einzelordinationen.
- Fortführung des Bundes-Projektes „Social Prescribing“ in Wien. Das erfolgreiche Pilotprojekt braucht dringend eine Fortsetzung (das wünschen sich auch 98% der befragten Patient:innen). Dadurch könnten Arztpraxen entlastet werden. Beim „Social Prescribing“ werden Rezepte nicht nur für Salben und Tabletten, sondern es werden auch verschiedene nicht-medizinische Maßnahmen und Aktivitäten zur Verbesserung der Gesundheit verschrieben.
Problembereich: Gastpatient:innen in Wien
Die Diskussion um Gastpatient:innen aus anderen Bundesländern hat zu hitzigen Debatten in der Wiener Gesundheitspolitik geführt. Die freie Wahl des Spitals (auch unter Berücksichtigung der jeweiligen Wartezeiten) muss sowohl für Wiener Patient:innen als auch Niederösterreicher:innen gewährleistet werden. Der Vorschlag von Stadtrat Hacker hebelt den Solidaritätsgedanken im Gesundheitssystem aus, schließlich können auch Wiener:innen in ein niederösterreichisches Spital gehen. Wien hat Verantwortung für die Finanzierung des Wiener Gesundheitssystems, da über den Finanzausgleich Gelder des Bundes nach Wien fließen.
„Die Situation in Wien hat sich so verschärft, dass Stadtrat Hacker in der Not sogar Patient:innen aus den Bundesländern aus Wien aussperren will. Diese Debatte untermauert, dass Strukturreformen dringend notwendig sind. Eine Lösung wäre die Finanzierung aus einem Topf für die Ostregion Wien, Niederösterreich und Burgenland.“
Barbara Huemer Landtagsabgeordnete, Gesundheitssprecherin, Pflegesprecherin
Grüne Lösungen:
- Statt sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben: Finanzierung aus einem Topf als Wiener Pilotprojekt.
- Auch das schon diskutierte Modell einer Versorgungsregion Ost ist besser als der Status Quo: Wien, Niederösterreich und das Burgenland können eine gemeinsame Versorgungsregion werden und hinsichtlich der stationären Versorgung der Bevölkerung die Bundesländergrenzen aufheben. Spitäler werden gemeinsam finanziert, die Organisation erfolgt durch Vertreter:innen der drei Länder. Patient:innen wählen das Spital nach Kriterien wie Spezialisierung, Erreichbarkeit, Wartezeiten, etc.
Problembereich: (Psychische) Gesundheit von Kindern und Jugendlichen
Es gibt in Wien große Versorgungslücken bei der psychischen Gesundheit: In der Kinderpsychiatrie sind Betten gesperrt, auch dringende Fälle werden abgewiesen. Durch die langen Wartezeiten kann es zu nicht mehr behebbaren Schäden kommen. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie nehmen 40% keine neuen Patient:innen an. Die geplante Kinder- und Jugendpsychiatrie in Floridsdorf hat wegen Fachärzt:innenmangel nie aufgesperrt. Die in Wien an einigen Schulen eingeführte psychosoziale Betreuung durch 17 multiprofessionelle Teams ist zwar ein richtiger Schritt, aber viel zu wenig.
Es gibt in Wien 52 Pflichtschulstandorte mit 15.000 Schüler:innen. 54 Prozent der Kassenkinderärzt:innen haben einen Aufnahmestopp. 2011 gab es noch 91 Kinderärzt:innen mit Kassenvertrag in Wien – 2025 gibt es nur noch 77 Kinderärzt:innen mit einem Vertrag mit der ÖGK (hier sind die neuen Kinder-Primärversorgungseinrichtungen schon inkludiert, d. h. die tatsächliche Zahl der Ordinationen bewegt sich nur bei knapp über 60).
Mit Bevölkerungswachstum eingerechnet (von 2011 auf 2024 ist Wien um 17,5% gewachsen) müsste es eigentlich auch 17% mehr Kinderärzt:innen auf Kasse geben – das wären 106 Ärzt:innen. Dazu gibt es derzeit nur 8 Primärversorgungszentren für Kinder- und Jugendheilkunde in Wien. Im Rahmen eines EU-Projektes wurden in Wien 4 School Nurses als Ansprechpersonen für 2.200 Schüler:innen etabliert. Die Stadt Wien ist an einer Ausweitung dieses erfolgreichen Projektes nicht interessiert.
Grüne Lösungen
- Mehr Kassenplätze für Psychotherapie.
- Das auslaufende Bundesprojekt „Gesund aus der Krise” gehört in die Wiener Regelversorgung: „Gesund aus der Krise“ bietet kostenfreie klinisch- psychologische, gesundheitspsychologische und psychotherapeutische Behandlungseinheiten von 0 bis 21 Jahre.
- School Nurses oder Gesundheitsteams müssen immer für medizinische (und psychische) Probleme an den Schulen vor Ort sein. Die ständige Anwesenheit schafft Vertrauen.
- Rascher Ausbau der Kinder-Primärversorgungseinrichtungen (PVE). Dort gibt es ein Team aus Ärzt:innen und anderen Gesundheits- und Sozialberufen. Für Ärzt:innen ist es oft attraktiver, im Team zu arbeiten als auf sich allein gestellt in Einzelpraxen. Auch sind die die Öffnungszeiten von PVEs länger.
- Die Stadt Wien soll für PVEs eigene Standorte zur Verfügung stellen.
Problembereich: Frauengesundheit
Wirtschaftliche Ungleichheit, Armut und der Gender Pay Gap beeinträchtigen die Gesundheitsversorgung und Lebenserwartung von Frauen erheblich. In einkommensschwachen Bezirken liegt die Lebenserwartung deutlich unter jener in wohlhabenderen Stadtteilen. In vielen Kliniken – auch im WIGEV – ist die Eins-zu-Eins Betreuung nicht Standard. Es gibt zu wenige Hebammen im Spital. Dadurch ist bei Geburten im Krankenhaus eine Hebamme oft für drei oder mehr Gebärende gleichzeitig zuständig.
Die Endometriose-Versorgung in Wien ist inadäquat: Mädchen und Frauen warten oft jahrelang auf die richtige Diagnose und adäquate Behandlung. Von Endometriose ist nach konservativen Schätzungen jede zehnte Frau betroffen. In Wien gibt es nur zwei klinische Endometriosezentren (AKH Wien, Klinik Ottakring) und ein privates Endometriosezentrum. Lediglich elf Frauenärzt:innen auf Kasse haben in Wien Endometriose unter ihren Angeboten.
Grüne Lösungen
- Bis 2030 sollen Frauengesundheitskioske nach dem Vorbild von „FEM Med“ am Reumannplatz an weiteren Standorten, insbesondere in sozial benachteiligten Stadteilen Wiens aufgebaut werden. Jeder Standort wird mit einem qualifizierten Team ausgestattet, das in mehreren Sprachen berät.
- Mehr kassenfinanzierte Endometriose-Praxen in Wien und Rehabilitationsangebote für eine gute Nachsorge nach Operationen.
- Erhöhung der Plan- und Dienststellen für Hebammen in den Geburtskliniken des WiGeV, damit Eins-zu-Eins Geburten sichergestellt sind.
- Mehr Kassenstellen für Gynäkologie.