U-Kommission Wien Energie: Abschlussbericht und zentrale Erkenntnisse

Foto von Peter Kraus und David Ellensohn, beide halten den Abschlussbericht zur U-Kommission Wien Energie in der Hand

U-Kommission: Experten sehen schlechtes Krisenmanagment bei Wien Energie

Die Wiener SPÖ und Bürgermeister Ludwig haben in der Causa Wien Energie verschlafen, vertuscht und am Ende fast Milliarden verzockt. Wir haben heute unseren Abschlussbericht zur U-Kommission präsentiert.

Die „Causa Wien Energie“ nahm ihren öffentlichen Anfang an einem Wochenende im Sommer 2022. Und es war nicht die politische Spitze Wiens, sondern der Bundeskanzler, der im Rahmen eines eilig für Sonntag, den 29. 8. 2022, einberufenen Krisengipfels die akute Gefahr benannte: Die im 100-prozentigen Eigentum der Stadt Wien stehenden Wiener Stadtwerke bzw. deren Tochtergesellschaft Wien Energie sei von erheblichen Liquiditätsengpässen betroffen und benötige einen Milliardenkredit. Das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit auf dem Energiemarkt stand plötzlich im Raum – und damit die Sorge vor Energie-Ausfällen in Wien. 

Wie sich herausstellen sollte, hatten bis zu diesem Abend im August 2022 nur
Bürgermeister Ludwig, Finanzstadtrat Hanke, Vizebürgermeister Wiederkehr sowie einige wenige vertraute Mitarbeiter:innen Kenntnis von den sich bereits lange ankündigenden Schwierigkeiten gehabt. Alle schwiegen jedoch wochenlang – wohl in der Hoffnung, die unangenehme Sache „aussitzen“ zu können. 

1,4 Milliarden Euro per Notverordnung

In den Tagen nach besagtem Krisengipfel – dem Eigentümervertreter Finanzstadtrat Peter Hanke trotz Einladung fernblieb – wurden Rufe nach der Einsetzung einer Untersuchungskommission laut. Wie sich herausstellen sollte, hatte der Wiener Bürgermeister per Notverordnung an den Gremien des Wiener Gemeinderates vorbei und ohne die Öffentlichkeit zu informieren in zwei Tranchen bereits 1,4 Milliarden Euro an Sicherheiten bereitstellen lassen. Über die Sorgfaltspflicht der Energiemanager der Wien Energie sowie über die politische Aufsicht und Verantwortung wurde nunmehr heftig öffentlich debattiert. 

Die intransparente Vorgangsweise sowie die defizitäre Informationspolitik der Stadtregierung führten zu heftiger oppositioneller wie medialer Kritik. Nicht zuletzt machten auch Mutmaßungen über spekulative Börsengeschäfte die Runde. Auch wir sahen mit Bekanntwerden der Vorgänge rund um den milliardenschweren Finanzbedarf der Wien Energie sowie der Notverfügungen des Bürgermeisters den sofortigen Bedarf einer lückenlosen Aufklärung. Die Einrichtung einer Untersuchungskommission zur Aufarbeitung aller Vorkommnisse in der Causa Wien Energie wurde von uns vollumfänglich unterstützt.

„Der Bürgermeister hat alles vorbei an den Gremien genehmigt und die Wienerinnen und Wiener im Dunkeln gelassen. Mit dieser Geheimniskrämerei hat die SPÖ das Vertrauen der Bevölkerung in die Wien Energie beschädigt. Die Causa Wien Energie hat gezeigt, wie wichtig ein schneller Ausstieg aus Öl und Gas ist – nicht nur fürs Klima, sondern auch für die Versorgung der Menschen in Wien mit leistbarer und sauberer Energie.“

Peter Kraus Beitragsbild Peter Kraus Stadtrat, Parteivorsitzender
Foto der Untersuchungskommission Wien Energie
Die Untersuchungskommission Wien Energie nahm die Causa genau unter die Lupe. Leider mit vielen Schwierigkeiten.

U-Kommission Wien Energie Abschlussbericht

Kritik an der Arbeit in der U-kommission 

Fehlende Unterlagen

Diese Untersuchungskommission war anders als alle anderen. Bei der U-Kommission „Vereine“ (2019) und „KH Nord“ (2018) wurden zumindest geschwärzte Unterlagen geliefert, diesmal meist gar keine oder zu wenig. Auch nach mehrmaliger Aufforderung durch Vorsitzenden Martin Pühringer an den Magistrat der Stadt Wien und auch an die Wiener Stadtwerke bzw. deren Tochter Wien Energie blieb die Lieferung der Unterlagen großteils aus. Teilweise wurden Unterlagen als generell unzulässig erachtet, obwohl eine Lieferung der Unterlagen, auf zulässige Teile reduziert und damit geschwärzt, rechtlich geboten gewesen wäre. Leider ist aber keine Durchsetzbarkeit der Vorlage von Unterlagen möglich, nur eine Ordnungsstrafe an Zeug:innen im Fall einer ungerechtfertigten Aussageverweigerung. Von 68 Beweisanträgen, die Unterlagen einforderten, wurden nur 34 zur Gänze geliefert. Auch Protokolle der Austausch- bzw. Informationsgespräche zwischen dem Eigentümervertreter der Stadt Wien und den Wiener Stadtwerken wurden nicht geliefert bzw. existieren gar nicht. Die Inhalte dieser Gespräche sind daher nicht nachprüfbar.

zurückhaltende Zeugen:innen

Der Eindruck aus den Befragungen war, dass viele der Zeug:innen auffallend vorsichtig und zurückhaltend waren. Die Auskunftsbereitschaft ließ oft – und zum wiederholt klar zum Ausdruck gebrachten Leid des Vorsitzenden – sehr zu wünschen übrig. Das hat die Arbeit in der Untersuchungskommission stark erschwert. 

Die Untersuchungskommission hat nicht die Kompetenz, die privatwirtschaftliche Tätigkeit ausgegliederter Unternehmen der Stadt Wien zu überprüfen. So war es nicht möglich, operative Fragestellungen von Zuständigkeiten und Entscheidungsfindungsprozessen im Unternehmen Wien Energie zufriedenstellend zu beantworten. Mit ständiger Berufung auf das Geschäftsgeheimnis konnte nicht einmal geprüft werden, ob es Alternativen zu den Handlungen der Wien Energie gegeben hätte.

Ermittlungsergebnis zur Notkompetenz äußerst unbefriedigend

Obwohl in der Wiener Stadtverfassung die Notkompetenzregelung für den Bürgermeister (§ 92 „ist unverzüglich zur nachträglichen Genehmigung vorzulegen“) im Wortlaut klar verankert ist, findet die MD-Recht, dass bei einer Notverfügung des Bürgermeisters eine Vorlage zur nachträglichen Genehmigung an den Gemeinderat im Rahmen der regulären nächsten Sitzung ausreichend ist. Das Ergebnis für alle in dieser Frage vor der Untersuchungskommission befragten Zeug:innen war daher, dass der Zeitpunkt der nachträglichen Genehmigung der am 15. 7., am 29. 8. und am 31. 8. 2022 vom Bürgermeister verfügten Milliardenkredite erst Ende September 2022 „unverzüglich“ und damit rechtskonform war.    

„Diese Untersuchungskommission war eine
Zudeckungskommission. Frühere Untersuchungskommissionen haben völlig anders agiert. Noch unter Bürgermeister Häupl wurden Unterlagen bereitwillig geliefert, die Regierung Ludwig wollte und will alles unter den Teppich kehren. Als Rot-Grün noch regierte, gab es mehr Transparenz – offensichtlich gab es diesmal eine neue Order im Haus, die die Arbeit in der Untersuchungskommission stark erschwert hat.“

David Ellensohn Klubobmann der Grünen Wien

Unsere Forderungen

  • Ausweitung der Prüfkompetenzen der Untersuchungskommission:
    Aufgrund der geltenden Rechtslage durfte das privatrechtliche Handeln der Wiener Stadtwerke/Wien Energie nicht geprüft werden – und das trotz der Tatsache, dass der Konzern im 100-Prozentigen Eigentum der Stadt Wien steht. Das muss sich ändern. Die Prüfkompetenzen von Untersuchungskommissionen müssen nach Vorbild jener des Bundes-Rechnungshofes ausgeweitet werden. Das privatrechtliche Handeln der ausgegliederten Unternehmen der Stadt Wien und damit die wesentlichen operativen Managemententscheidungen müssen zur Bewertung der politischen Verantwortung zugänglich sein. 
  • Durchsetzung der Vorlage von Unterlagen:
    Ohne eine Rechtsgrundlage für die zwangsweise Durchsetzung der Vorlage von Unterlagen, ist der Erfolg der Beweiserhebung einzig von der freiwilligen Mitwirkung der in Anspruch genommen Stelle abhängig. Genau diese freiwillige Mitwirkung des Magistrats der Stadt Wien aber auch der Wiener Stadtwerke GmbH und deren Tochter Wien Energie GmbH, blieb gänzlich aus. Es muss also eine eigene Verfahrensordnung geschaffen werden, welche die zwangsweise Durchsetzbarkeit beantragter Beweiserhebungen ermöglicht und so eine lückenlose transparente Aufklärung von Missständen in der Wiener Verwaltung garantiert.
  • Änderung der Notkompetenzregelung:
    Es ist daher dringend geboten, den Wortlaut der Notkompetenzregelung des Bürgermeisters dahingehend zu präzisieren, dass der nicht definierte Begriff „unverzüglich“, als Verpflichtung zur nachträglichen Vorlage an das zuständige Organ längstens binnen 5 Tagen verankert wird. Zusätzlich fordern die Grünen auch eine rechtliche Grundlage für die sofortige – binnen 24 Stunden – Informationspflicht des Bürgermeisters über den Inhalt der getroffenen Notverfügung an alle Gemeinderatsmitglieder zu schaffen.
  • Sicherstellung der ordnungsgemäßen Wahrung der Eigentümerrechte:
    Interne Erlässe und Richtlinien der mit den Agenden der Wiener Stadtwerke GmbH betrauten Magistratsdienststellen haben genau festzulegen, wie, wann und in welcher Form der Informationsaustausch mit bzw. die Berichtslegungen von den ausgegliederten Unternehmen zu erfolgen haben. Festzulegen ist auch, was, wie und in welchem Umfang veraktet werden muss. Außerdem müssen politischen Kontrollrechte gegenüber den ausgegliederten Unternehmen der Stadt Wien abgesichert werden.