6 Grüne Ideen zur Lösung der Wiener Bildungskrise
Das neue Schuljahr steht bevor, die alten Probleme sind geblieben – und es kommen laufend neue dazu.
Neues Schuljahr, alte Probleme
50 Prozent der Erstklässler:innen in den Volksschulen sprechen nicht gut genug Deutsch, um dem Unterricht folgen zu können, einige Volksschulklassen sind zum Schulstart ohne klassenführende Lehrperson. Ein weiteres Symptom: Viele Schulen suchen noch händeringend Direktor:innen – es gibt nur kaum Bewerbungen.
schlechte Pinke Performance
Ein Blick auf die letzten fünf Jahre Neos-Bildungspolitik macht deutlich: Die Brisanz vieler Probleme steht in direkter Verbindung mit der pinken Performance der letzten Jahre. Der trostlose Befund: Ein Kind, das heute in die Schule kommt, hat weniger Chancen als noch vor fünf Jahren. Dass der damals zuständige Bildungsstadtrat Wiederkehr im März dieses Jahres in die Bundesregierung als Bildungsminister gewechselt ist, hat daher von Vorarlberg bis ins Burgenland für Kopfschütteln gesorgt.
Der bisherige „Leistungsnachweis“ ließ dann die schlimmsten Befürchtungen wahr werden: Zuerst rief Bundesminister Wiederkehr einen Notstand aus, um den Familiennachzug auszusetzen. Die Begründung? Die Zustände an den Wiener Schulen, für die Wiederkehr als Bildungsstadtrat fünf Jahre lang zuständig war. Als große Chance wurde in der Folge die seltene Konstellation angepriesen, dass die Bildungsressorts im Bund und in Wien in den Händen der gleichen Parteien sind – bislang leider ohne spürbare Verbesserungen.
Jetzt, kurz vor Schulstart, zerkracht sich Wiederkehr dann mit den Lehrer:innen und bringt vom obersten Lehrergewerkschafter abwärts die halbe Lehrerschaft des Landes gegen sich auf. Wiederkehr ließ den Lehrer:innen ausrichten, sie notfalls gegen ihren Willen für die Sommerschulen zu verpflichten.
„Das neue Schuljahr beginnt, doch die alten Probleme bleiben ungelöst. Bildungsminister Wiederkehr streitet mit der Lehrer:innengewerkschaft, während Wien unter einer Bildungskrise leidet. Es ist höchste Zeit, dass die Stadtregierung die Schulen vor Ort für alle Kinder verbessert.“
Judith Pühringer Stadträtin, Parteivorsitzende, Sprecherin für Arbeitsmarkt und Menschen mit Behinderung
Neue Anfragen zeigen Ausmaß der Wiener Bildungskrise
Wir haben bereits kurz nach der Wahl neuerliche Anfragen zu den drängendsten Brandherden im Wiener Bildungssystem gestellt. Sei es bei den Schulsozialarbeiter:innen oder bei den noch immer fehlenden Kindergartenplätzen für Kinder mit Behinderung – die Probleme bleiben ungelöst oder verschärfen sich noch weiter.
Das gilt auch für neue Zahlen, mit denen das Problem der fehlenden Durchmischung in den Bezirken verdeutlicht wird: In vielen Bezirken gibt es Schulen, in denen der Anteil der Kinder, die nicht gut genug Deutsch verstehen, um dem Unterricht folgen zu können, bei fast 50% liegt. Gleichzeitig gibt es im selben Bezirk Schulen, in denen dies nur auf einige, wenige Kinder zutrifft. Hier muss endlich gegengesteuert werden.
Grüne Schultüte für Bettina Emmerling

Eines ist jedenfalls klar: Umsichtiges und kluges (Krisen-)Management sieht anders aus. So wird Wien die Bildungskrise nicht lösen können. Jetzt steht die neue Bildungsstadträtin Bettina Emmerling vor ihrem ersten Schuljahr, weshalb wir für sie zum Start eine Schultüte vorbereitet haben – gefüllt mit Grünen Reform- und Lösungsvorschlägen, damit im Wiener Bildungssystem endlich was weitergeht.
SCHULE
1. Personalmangel
Problem:
Es ist eine schon traurige Tradition der letzten Jahre: Zu Schulbeginn ist nicht klar, ob jede Klasse überhaupt eine fixe Lehrkraft hat. Noch vor zwei Wochen war noch von 240 offenen Stellen die Rede.
- In 22 Volksschulklassen fehlen sogar die klassenführenden Lehrpersonen. Trotz des Mangels ist es immer noch nicht möglich, sich laufend für die Stellen zu bewerben. Die Bewerbungsfenster sind nur kurz geöffnet, die Information darüber bestenfalls dürftig.
- An 37 Pflichtschulstandorten gibt es derzeit nur interimistische Direktor:innen. Die Hälfte der Schulen, die letztes Jahr eine neue Schulleitung bekommen haben – das sind 22 – gab es für die vakanten Direktionsposten gar keine oder nur eine Bewerbung. Das zeigt: Der Posten als Direktor:in ist äußerst unattraktiv.
Lösungen:
- Nur durch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen lässt sich der anhaltende Negativtrend umkehren und der Personalmangel langfristig beheben: An Schulen mit größeren Herausforderungen soll es höhere Gehälter und bessere Entlohnung für Zusatzaufgaben geben; Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten für Lehrer:innen für Mittlere-Management Positionen; mehr Unterstützungspersonal; weniger Bürokratie und administrative Arbeit; endlich gut ausgestattete Arbeitsplätze.
- Der Job der Direktor:innen muss um ein Vielfaches attraktiver gestaltet werden. Es braucht dringend strukturelle Verbesserungen und höhere Bezahlung, damit wieder mehr Menschen bereits sind, den verantwortungsvollen Job als Direktor:in anzunehmen.
2. Durchmischung
Problem:
Eine neue Beantwortung einer Anfrage der Wiener Grünen zeigt: Das Problem der fehlenden Durchmischung ist innerhalb der Bezirksgrenzen teils extrem. So gibt es zum Beispiel im 20. Bezirk eine Schule, an der 46,4% der Schüler:innen einer Volksschule aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse als außerordentliche Schüler:innen geführt werden – aber auch eine Volksschule, bei der dieser Wert nur 2% beträgt. Das ist genau die Problematik, auf die wir seit geraumer Zeit eindringlich hinweisen. Soziale und ökonomische Durchmischung – in Schulen wie auch in Kindergärten – sind entscheidend dafür, dass Kinder voneinander lernen können und die Herausforderungen an einzelnen Standorten nicht zu groß werden.
Lösung:
Ein zeitgemäßes Update für die Schulplatzauswahl. Die Schulwahl bleibt bestehen, wird aber durch sozio-ökonomische Kriterien erweitert. Die endgültige Zuteilung erfolgt zentral, nach den Kriterien: Wohnortnähe, Geschwister, Erstsprache, Bildungsgrad der Eltern. Dadurch entsteht eine bessere Durchmischung vor Ort in den Bezirken, in den Grätzeln.
3. Schulsozialarbeiter:innen
Problem:
Die Zahlen einer neuen Anfragebeantwortung zeigen, dass das Problem der fehlenden Schulsozialarbeiter:innen weiterhin gravierend ist: Es gibt derzeit an 122 Pflichtschulen Wiens ein:e Sozialarbeiter:in, an 324 Schulen gibt es gar keine. Drei Viertel aller Wiener Pflichtschulen haben also keine Schulsozialarbeiter:in. Wiederkehr, damals noch Bildungsstadtrat, meinte vor einem Jahr, dass auf 95 aufgestockt werden würde – bis jetzt sind es 53 Vollzeitstellen. Noch immer können nicht alle Planstellen besetzt werden, weil die Arbeitsbedingungen unattraktiv sind.
Lösung:
Jede Schule muss eine:n Schulsozialarbeiter:in bekommen, damit sich die Lehrer:innen voll und ganz aufs Unterrichten konzentrieren können.
KINDERGARTEN
Natürlich lassen sich die Probleme in den Schulen nicht isoliert von den gravierenden Baustellen in der Elementarbildung betrachten und lösen – die zentralen Brandherde:
1. Personalmangel
Problem:
Nach wie vor fehlen über 600 Pädagog:innen – die Gruppen sind zu groß und der Betreuungsschlüssel unzureichend. Die Folge: Pädagog:innen sind überlastet, Kinder bekommen nicht die individuelle Förderung, die sie brauchen.
Lösung:
Endlich bessere Arbeitsbedingungen, kleinere Gruppen, ein verpflichtender Stufenplan, der für die Stadt Wien bindend ist – all das liegt zu 100% in der Kompetenz der Bundesländer.
2. Ganztagesplätze
Problem:
Eine drastische Konsequenz der Notlage: Eltern verlieren den Ganztagsplatz für ihr Kind, wenn ein zweites Kind bekommen. Viele aufgebrachte Eltern haben sich deshalb bei unserem Bildungsteam gemeldet. Wurde ein Elternteil arbeitslos oder befand sich in Karenz, führte das oft zur Kürzung eines zuvor gewährten ganztägigen Kindergartenplatzes – eine Praxis, die weder pädagogisch sinnvoll noch familienpolitisch vertretbar ist. Im vergangenen Jahr wurden zudem immer häufiger Notfallpläne aktiviert, weil das Personal an allen Ecken und Enden fehlt. In einigen Fällen wurden Eltern sogar darum gebeten, falls möglich, ihre Kinder zuhause zu betreuen.
Lösung:
Der Anspruch auf einen Ganztagesplatz für ein Kind muss immer erhalten bleiben. Dieser Anspruch muss garantiert werden, im Regierungsprogramm von Rot-Pink findet sich dazu aber nur eine Absichtserklärung ohne konkreten Zeitplan.
3. Inklusion
Problem:
Bei der extra geschaffenen Förderschiene für Inklusion wurden laut einer aktuellen Anfragebeantwortung (August) bislang kein einziger Euro ausgezahlt. Schon in den vergangenen Jahren warteten 800 bis 1.000 Kinder mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen auf einen Platz – doch die Zahlen aus Februar 2025 zeigen: Die Situation hat sich weiter verschärft, aktuell sind es sogar 1147 Kinder. Die Nachfrage übersteigt das Angebot der Stadt um rund 80 % – ein untragbarer Zustand, der betroffene Familien massiv belastet und die Versäumnisse der Stadtpolitik klar aufzeigt.
Lösung:
Förderungen werden aufgesetzt, aber nicht abgeholt. Die Förderschiene kommt damit nicht im Kindergarten an – sie muss deutlich einfacher gestaltet werden und weniger Bürokratie erzeugen. Kindergärten bräuchten stattdessen „freies Geld“, das sie hierfür einsetzen können.

